Die Chronik des Weißstorches im ViehstrichNach der letzten Brut des Weißstorchs im Viehstrich im Jahre 1962 und dem völligen Aus als Brutvogel in Rheinland-Pfalz (1974) wurde es in diesem Bundesland um den bekannten Watvogel sehr still.
Die Menschen brauchten aber anscheinend Zeit, um den Storch in ihren Dörfern richtig zu vermissen, denn es dauerte drei Jahrzehnte, bis sich im Viehstrich-Gebiet eine Initiative zur Wiederansiedlung bildete und der „Storchenverein“ gegründet wurde. Der Vereinsgründer und derzeitige zweite Vorsitzende des Vereins, Frank Steigleder, hatte damals seinen Zivildienst in der Storchenaufzuchtstation Schwarzach (Odenwald) abgeleistet und war entschlossen, den symbolträchtigen Großvogel im Viehstrich wieder einzubürgern. Die Aufzuchtstation Baden-Wörttembergs sorgte jahrelang für kontroverse Diskussion. Nach ihrer Schließung im Jahr 1998 überführte die inzwischen ins Leben gerufene „Aktion Pfalzstorch“ die Vögel der Station nach Bornheim bei Landau und verteilte die einzelnen Paare zur Wiederansiedlung an ehemalige Storchendörfer in der Pfalz. Mit einem Paar aus der Schwarzacher Aufzuchtstation (noch vor deren Schließung) begann die Erfolgsgeschichte der Wiederbesiedlung des Viehstrichs durch den Weißstorch. Der erste Auswilderungsversuch in Steinfeld verlief allerdings wenig ermutigend. Das Storchenpaar nahm nach seiner Freilassung in Steinfeld am 4. April 1997 die bereitgestellte Nisthilfe auf der „Jordan-Ranch“ sofort an, und aus allen vier anschließend gelegten Eiern schlüpften Küken aus. Nach einer anhaltenden Schlechtwetterphase verschwand dann jedoch ein Junges. Als man die restlichen drei Küken aus dem Nest nahm, waren zwei bereits am Eingehen. Das dritte Küken überlebte. Beide eingefangenen Elternvögel als auch das Junge wurden daraufhin nach Schwarzach zurückgegeben. Im Jahr 1998 ließ man das gleiche Paar am 21. März auf der "Jordan-Ranch" erneut frei. Es nahm wiederum die dortige Nestunterlage an und legte sechs Eier. Aber noch bevor es zum Schlüpfen der Küken kam, wurde das Storchenmännchen von zwei frei laufenden Hunden gerissen. Diese Wendung der Geschichte offenbart die Problematik der Wiederansiedlung einer Tierart mit Hilfe von in Gefangenschaft geborenen Individuen, deren Fluchtdistanz oft nicht der eines Wildtieres entspricht. Allerdings sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten, denn drei Jahre später verhielten sich im Nachbardorf Kapsweyer Störche mit ähnlichem Hintergrund wie perfekte Wildtiere. Außerdem gab es zum betreffenden Zeitpunkt in der Pfalz gar keine „echten“ Wildstörche. Das Ablesen der Ringe an den Beinen von Durchzüglern per Fernrohr ergab, daß solche Vögel in der Regel aus Schwarzach oder Aufzuchtstationen in der Schweiz bzw. dem Elsaß stammten. - Die Brut auf der "Jordan-Ranch" im Jahr 1998 fand leider kein gutes Ende... Nur ca. 100 m entfernt hatte sich im Sommer '98 aber der Durchbruch in der Weißstorch-Wiederansiedlung im Viehstrich ereignet! Im Jahr 1999 blieb die Nestunterlage auf der "Jordan-Ranch" verwaist, auf der Wiesentalhalle brütete das gleiche Storchenpaar wie im Jahr zuvor, und auf einer dritten Nisthilfe, ca. 1,5 km südöstlich kam es zu einer Brut auf dem Gelände einer Kakteen-Gärtnerei. Das Jahr 2000 erbrachte Jungstörche in allen drei (oben erwähnten) Steinfelder Nestern.
Auf dem Gelände der Gärtnerei brüteten in diesem Jahr ein unberingtes Weibchen und einem 1992 im Landauer Zoo geborenen Männchen. Vier Eier wurden gelegt, vier Küken schlüpften. Zwei der Jungstörche überlebten und zogen schließlich am 14. bzw. 23. August ab. Im Jahr 2001 ereignete sich etwas völlig Unerwartetes. ![]()
Aus allen vier im Kapsweyerer Nest gelegten Eiern schlüpften Küken, von denen zwei überlebten und ausflogen. Am 11. September zog einer der beiden Jungstörche ab, der zweite war offensichtlich einem Fuchs zum Opfer gefallen. Das Nest auf der "Jordan-Ranch" wurde vom gleichen Brutpaar wie im letzten Jahr angenommen. Eines der fünf Eier verschwand; aus den anderen schlüpften Küken. Zwei der Jungstörche überlebten, flogen aus und zogen schließlich am 28. Juli ab. Aus Steinfeld abgezogene Jungstörche des Jahrgangs 1999 konnten anschließend einmal in den Queichwiesen östlich von Landau anhand per Fernrohr abgelesenen Ringnummern nachgewiesen werden. Es darf aber davon ausgegangen werden, daß sie sich anschließend dem Schwarm von Störchen anschlossen, der sich ab Mitte/Ende August an der Karlsruher Müllkippe formierte. Auch in den darauf folgenden Jahren (2000, 2001) sammelten sich bis zu 120 Störche in der Umgebung der Müllkippe. Man konnte die Vögel dann auch zwischen Lachmöwen, Rabenkrähen und Staren auf der Müllkippe nach Futterbrocken stochern sehen. ![]() Bild:
Störche auf einer Müllkippe bei Karlsruhe
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Zirka 60 Störche haben sich auf der Rennbahn in Knielingen neben der Müllkippe versammelt
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Einige Störche sammeln sich schon im Juli in der Nähe einer Müllkippe, z. B. wie auf diesem Bild bei "Mercedes" in Maximiliansau
Quelle: Christiane Maron (Wörth)
In einem Bericht des Magazins GEO 8/2000 werden in der Estremadura (Südspanien) aber auch dichte Storchenpopulationen dokumentiert, die dort ganzjährig leben und ihre Jungen aufziehen. Bisher konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, wo die im Viehstrich großgewordenen Jungstörche Überwintern. Auch wissen wir nicht, wo sich der 1997 in Steinfeld geborene Jungstorch bis zu seiner erfolgreichen Brut in Kapsweyer im Jahre 2001 aufhielt. Weitere Auskünfte zum Thema "Störche im Südwesten Deutschlands" erteilt Herr Walter Feld (Tel./Fax 07247/21594). Während alle überlebenden Jungstörche aus den Bruten der Jahre 1997 bis 2001 zwischen Juli und September aus dem Viehstrich (vermutlich in Richtung Überwinterungsgebiet) abzogen, blieben ein bis maximal vier der zuletzt acht Altvögel auch im Winter in Steinfeld und mußten dann zwischen November und Februar bis März mit aufgetauten Kleinfischen (Herkunft: ortsansässige Angelsportvereine und Eintagsküken (aus dem Handel) gefüttert werden. ![]() Bild:
Überwinternde Störche in Steinfeld. Schnee und Kälte machen den Watvögeln nichts aus. Bei Temperaturen unter 6-8 °C muss dann jedoch Nahrung ausgebracht werden.
Die Vögel verschwanden aber z.T. für Tage oder Wochen und man vermutete, daß sie sich zwischenzeitlich in der Orangerie in Straßburg, dem Zoo in Karlsruhe oder in der Nähe anderer Futterquellen aufgehalten hatten.
Das Überwintern dieser Vögel im Oberrheingebiet wird von Seiten des "Storchenvereins" in keinster Weise gefördert. Der abhanden gekommene Zugtrieb muß aber als unerwünschte Begleiterscheinung der Aufzucht dieser Vögel unter menschlicher Obhut in Kauf genommen werden. Da bisher alle Jungvögel abzogen, ist es eine Frage der Zeit, bis sich im Südwesten Deutschlands erneut eine Storchenpopulation mit normalem Zugverhalten gebildet haben wird, vorausgesetzt der Aufwärtstrend um den Weißstorch setzt sich fort. Nicht verschwiegen werden soll auch die Tatsache, daß die Störche in den Nestern der Viehstrich-Gemeinden zwischen Ende Mai und Anfang Juni teilweise zugefüttert werden. Beim Auswerfen des Futters auf einer Wiese oder dem Sportplatz wurde darauf geachtet, daß die Vögel auf Distanz blieben, um sie nicht ungewollt zu zähmen. Ausgeflogene Jungstörche wurden aber niemals gefüttert. Wie auf den anderen Internetseiten des "Storchenvereins" zu ersehen ist, arbeitet der Verein an einer großflächigen Renaturierung des Viehstrichs. Als Fernziel steht im Raum, daß alle Störche im Winter in den Süden abziehen und während des Sommers im Viehstrich ohne Zufütterung durch den Menschen ihre Jungen aufziehen. Die Bevölkerung Steinfelds und der Nachbardörfer nimmt inzwischen großen Anteil an dem Geschehen um die Störche. Auf solche Sympathieträger kann und sollte der Naturschutz nicht verzichten, auch wenn sie vorübergehend besondere Zuwendung seitens des Menschen in Anspruch nehmen müssen. |
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