Insekten im Viehstrich

Libellen in der Bruchbach-Otterbachniederung (Viehstrich, Bienwaldrand)

(von Dipl. Biol. Matthias Kitt, Minfeld; Biotopbetreuer des Landes Rheinland-Pfalz und Dipl. Biol. Christine Werth, Gaggenau; 2002)

Die Bruchbach-Otterbachniederung ist Teil des Bienwaldschwemmfächers, eines während der Eiszeit von der Lauter aufgeschütteten, ca. 120 km² großen Schwemmkegels, der sich vom französischen Wissembourg im Westen bis an das Hochufer des Rheins im Osten erstreckt. Überwiegend ist diese Landschaft mit ursprünglichem Wald, dem sogenannten Bienwald, bestockt. An dessen Nordrand zieht sich eine etwa kilometerbreite Niederung, der Viehstrich, hin. Im Süden fließt in einem eingetieften Tal die Lauter.

Die Lebensgemeinschaft der Libellen in der südpfälzischen Bruchbach-Otterbachniederung wird von NIEHUIS (1985) als das wohl wertvollste Vorkommen bach- und grabenbewohnender Arten in Rheinland-Pfalz eingestuft.

Hier befindet sich das einzig bekannte Brutgewässer der Vogel-Azurjungfer Coenagrion ornatum in unserem Bundesland.

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Männchen der Vogel-Azurjungfer (Coenagrion ornatum)

Die großen Populationen dieser Art messen dem Gebiet eine bundesweite Bedeutung zu. Des Weiteren finden sich mit der Gemeinen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus), der Grünen Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia) und der Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) drei weitere, bundesweit vom Aussterben bedrohte bzw. stark gefährdete Fließgewässerarten in der Niederung. Die beiden letztgenannten Libellen sind im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt, es handelt sich also um Arten von europaweitem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

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Ophiogomphus cecilia, Männchen an der Lauter (Salmbach Passage) auf der alten Waschbank

Ursächlich für diesen Artenreichtum sind die mehr oder weniger stark vom Grundwasser beeinflussten Bäche Bruchbach und Otterbach. Die überwiegend von extensiv bewirtschaftetem Grünland begleiteten, besonnten Gewässer mit ihren Wasserpflanzengesellschaften aus Berle und Wasserkresse bieten ideale Lebensbedingungen für oben genannte Arten.

Besonders erwähnenswerte Arten:

Zur Unterstreichung der getroffenen Aussagen kann die Populationsentwicklung der Grünen Keiljungfer dienen. In den 80 er Jahren waren in Deutschland nur noch drei größere Vorkommen in der Lüneburger Heide, dem nördlichen Bayern und eben aus der Pfalz bekannt (BELLMANN 1987). Die pfälzischen Bestände beschränkten sich auf die Lauter mit ihrem Oberlauf, den benachbarten Saarbach und das Bruchbach-Otterbachsystem. Im Laufe der 90 er Jahre konnte sich die Art von diesem südlichen Reproduktionszentrum aus im Zuge von allgemeinen Verbesserungen der Wasserqualität wieder an fast allen Fließgewässern der Pfalz etablieren und besiedelte sogar die Alb bei Karlsruhe (KITT 1995). Besonders auffällig bei dieser Keiljungfer ist deren Flugverhalten. Sie fliegt gerne in einem halben Meter Abstand über der Wasseroberfläche, wobei sie sich oft auf Ästen, die aus dem Wasser ragen, absetzt. Insbesondere in den Freibädern der Südpfalz ist die grün-gelb-schwarz gezeichnete Art ab Mitte Juli regelmäßig bei dem Versuch zu beobachten sich auf die Köpfe der Badenden zu setzen.

Die bundesweit stark gefährdete Gemeine Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) war früher so weit verbreitet an mitteleuropäischen Fließgewässern, dass sie den Namen "Die Gemeine" erhielt. Bis in die 80 er Jahre reduzierten sich die Vorkommen in der Pfalz auf die Bruchbach-Otterbachniederung. Inzwischen haben sich die Bestände wieder erholt und die Art ist auch wieder im Rhein festzustellen (eigene Beobachtungen).

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Gomphus vulgatissimus, Männchen

Auffälligste Vertreter der Fließgewässerlibellen am Oberen Viehstrich sind die beiden blau- und grünmetallisch schillernden Prachtlibellen Calopteryx splendens und Calopteryx virgo. Sie erreichen an günstigen Abschnitte entlang der Bäche Individuendichten von bis zu 20 Tieren pro Meter Uferböschung.

Die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) ist in der Bruchbach-Otterbachniederung die wohl häufigste Schlanklibelle entlang der Bäche. Von hier ausgehend konnte die Art in den 80er und 90er Jahren die nördlich angrenzende Erlenbachniederung besiedeln. Weitere Vorkommen der Art sind aus der Queichniederung (K. WEISS, mündl. Mitt.) bekannt.

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Coenagrion mercuriale, Männchen und Weibchen als Paarungstandem)

Von der Kleinen Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus) liegen lediglich alte Nachweise vor aus den 60er Jahren durch ITZEROTT (in NIEHUIS, 1984) bzw. von Anfang der 80er Jahre durch BRAUKMANN (1987).

Die seltene Speer-Azurjungfer (Coenagrion hastulatum) wurde 1983 an einem Gewässer südlich Steinfeld von NIEHUIS (1984) nachgewiesen. Seitdem fehlen Nachweise der auf saure Torfgewässer des Pfälzer Waldes beschränkten Art in der Bruchbachniederung. Sie könnte allerdings in kleinen Gewässern des anmoorigen Bienwaldes vorkommen.

Bestandsentwicklung:

NIEHUIS (1984) konnte für den Viehstrich 35 Arten nachweisen, zu einer Zeit, als die Niederung aufgrund früherer Meliorationsmaßnahmen und Verfüllungen nur noch sehr wenige Stillgewässer aufwies. Während der 90 er Jahre wurden dann durch die Naturschutzverbände - insbesondere den Verein zur Wiederansiedlung des Weißstorches und den Naturschutzverband Südpfalz (NVS), in enger Zusammenarbeit mit der Biotopbetreuung des Landes Rheinland-Pfalz - zahlreiche kleinere Tümpel und Teiche sowie einige größere Stillwasserkomplexe angelegt.

Ziel der Tätigkeiten war die Neuschaffung von aquatischen Lebensräumen insbesondere für Amphibien und Libellen. Die Ergebnisse einer Untersuchung der Libellenfauna bei Steinfeld im Rahmen einer Diplomarbeit (WERTH 2002) sowie eigene Beobachtungen durch den Verfasser zeigen erfreulicherweise den Erfolg dieser Anstrengungen auf.

Acht weitere Libellenarten, durchweg Bewohner von Stillgewässern, können nun der Artenliste neu hinzugefügt werden. Darunter befinden sich so seltene Spezies wie die Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus) oder die Kleine Mosaikjungfer (Brachytron pratense).

Erstere ist ein typischer Bewohner neu entstandener Kleingewässer und großflächig überstauter, pflanzenreicher Überschwemmungszonen. Letztere gilt als typische Auenart. Dort besiedelt sie größere Stillgewässer wie Waldweiher und Altwasser mit dichten Pflanzenbeständen. In Rheinland-Pfalz liegt ihr Vorkommensschwerpunkt innerhalb der Oberrheinniederung. Nur an wenigen Stellen kommt sie auch in den Auen der Haardtbäche vor.

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Lestes barbus, Weibchen)

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Brachytron pratense, Männchen

Interessanter Weise waren die meisten Stillwasserarten aber bereits Ende der 80 er Jahre von größeren Gewässern aus dem Bienwald bekannt. NIEHUIS (1987) berichtet von Fortpflanzungsnachweisen der Kleinen Binsenjungfer (Lestes virens) an einem Löschwasserteich im Bienwald und aus den Jockgrimer Tongruben, einer ehemaligen Abbaufläche am Ostrand des Bienwaldes. Begleitend dazu wurden bestandsbedrohte Arten wie die Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus), die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas), die Kleine Mossjungfer (Leucorrhinia dubia) oder die Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae) im Bienwald festgestellt.

Für die Bruchbach-Otterbachniederung sind somit insgesamt 43 Libellenarten nachgewiesen. Im angrenzenden Bienwald finden sich mit Lestes virens und Leucorrhinia dubia Nachweise zweier weiterer Arten. Aufgrund der Neuschaffung von Stilgewässern in der Bachaue während der letzten zehn Jahre und noch folgender Feuchtbiotopplanungen ist für die Zukunft mit weiteren Libellen im Gebiet zu rechnen. Dazu zählen die Pokal-Azurjungfer (Coenagrion lindeni), die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio), die Südliche Mosaikjungfer (Aeshna affinis) bzw. die Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum).

Artentabelle der Libellen der Bruchbach-Otterbachniederung und des Bienwaldes

Literaturverzeichnis

BELLMANN, H. (1987): Libellen: beobachten - bestimmen.- , Melsungen.

BRAUKMANN, U. (1987): Zoozönologische und saprobiologische Beiträge zu einer allgemeinen regionalen Bachtypologie.- Archiv für Hydrobiologie, Beihefte Ergebnisse der Limnologie, H. 26. 355 S., Stuttgart

BfN - BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (1998): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands.- Schriftenr. f. Landschaftspflege und Naturschutz Heft 55; Bonn.

EISLÖFFEL, F., M. NIEHUIS & M. WEITZEL (1993): Rote Liste der bestandsgefährdeten Libellen (Odonata) in Rheinland-Pfalz.- Ministerium für Umwelt Rh.-Pf.; Mainz.

KITT, M. (1995): Zur Verbreitung von Fließgewässerlibellen (Insecta: Odonata) im südpfälzischen Raum.- Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 7, 4; Landau

NIEHUIS, M. (1984): Verbreitung und Vorkommen der Libellen (Insecta: Odonata) im Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz und im Nahetal.- Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 3, 1; Landau.

NIEHUIS, M. (1985): Materialien zum Libellenschutz in Rheinland-Pfalz: I. Katalog wichtiger Libellenbrutgewässer im südlichen Rheinland-Pfalz.- Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 3, 4; Landau.

NIEHUIS, M. (1987): Fortpflanzungsnachweis der Kleinen Binsenjungfer Lestes virens CHARPENTIER) im Bienwald/Vorderpfälzer Tiefland.- Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 4; Landau.

WERTH, C. (2002): Faunistische und wasserchemische Erstuntersuchungen an sekundären Stillgewässern der Südpfalz.- Dipl.arbeit Universität Karlsruhe.