Lebensraum Weinberg

Der Weinbau hat in der Pfalz eine jahrhundertlange Tradition. Der Kandeler Lössriedel, der sich im Norden an den Viehstrich anschließt, ist durch Weinberge geprägt.

Weniger bekannt ist, dass der Weinberg eine faszinierende Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen darstellt, die z. T. nur hier vorkommen und die auf den Rhythmus der Arbeiten im Wingert abgestimmt sind. Einige davon möchten wir Ihnen hier vorstellen.

Der Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer Psyllobora vigintiduopunctata ist ein gern gesehener Gast im Weinberg, da er sich, genauso wie seine Larven, ausschließlich von Echtem Mehltau ernährt. Obwohl er mit 3 bis 4,5 Millimetern nicht zu den größten Marienkäfern gehört, fällt er mit seinen kräftig gelb gefärbten Deckflügeln mit je 11 schwarzen Punkten gleich auf.

Wie alle Marienkäfer braucht auch Psyllobora vigintiduopunctata zum Überwintern Büsche und Hecken, die nicht mit Insektiziden behandelt sind.

Die unbewirtschaftete Böschung im Feld, im Pfälzischen "Rech" genannt, erweist sich dabei als wertvolle Basis einer arten- und abwechslungsreichen Kulturlandschaft.

Der Kleine Bombardierkäfer Brachinus explodens macht bei Bedrohung seinem Namen alle Ehre: Mit hörbarem Knall stößt er eine bis zu 100° C heiße, ätzende Flüssigkeit aus, die er auf den Angreifer feuert.

Er lebt im offenen Gelände; zumeist unter Steinen an Wegrändern. In Weinbergen ist er recht häufig zu finden.

Leider ist auch der Kleine Bombardierkäfer in Rheinland-Pfalz auf dem Rückzug.

Der Nickende Milchstern Ornithogalum nutans darf in unseren Breiten als echter Weinbergspezialist gelten. Außerhalb dieses Lebensraumes kommt er fast gar nicht vor.

Er ist sehr gut an die Lebensbedingungen im Wingert - extreme Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, im Sommer Trockenheit und Bodentemperaturen bis zu 60 ° - angepasst.

Der Dolden-Milchstern Ornithogalum umbellatum, ein naher Verwandter des Nickenden Milchsterns, ist nicht ausschließlich auf Weinberge fixiert. Er kann auch an Wegrändern, Gebüschen und bisweilen sogar in Äckern auftreten.

Der Weinberg-Lauch Allium vineale ist in der Südpfalz noch vergleichsweise häufig anzutreffen.

Auch er ist typisch für die Weinbergsflora, die sich aus wärmeliebenden, mediterranen Frühjahrsblühern rekrutiert und zumeist aus Zwiebelgewächsen besteht.

Die Weinberg-Tulpe Tulipa sylvestris gilt als der Star unter den Pflanzen im Weinberg. Sie ist ausgesprochen selten geworden; in ganz Rheinland-Pfalz gibt es nur noch sehr wenige Populationen.

Sie weist alle Eigenschaften auf, um in der Weinbergskultur, als "Hackflora" bezeichnet, überleben zu können.

Die Hackflora - Ausdruck einer besonderen Weinbergkultur

Über Jahrhunderte hinweg wurden die Flächen zwischen den Rebstöcken mit der Hacke aufgelockert und dabei gleichzeitig die Gräser entfernt. Dies ermöglichte einer ganzen Reihe von Pflanzen die Besiedlung der Weinberge. Diese Pflanzen fasst man als sogenannte "Hackflora" zusammen.

Typisch für diese Pflanzengemeinschaft ist eine weitreichende Anpassung an die besonderen Bedingungen im Weinberg - im Sommer Trockenheit und heiße Böden; daraus resultierend extreme Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperaturen - sowie die zeitige Blüte im Frühjahr, weshalb die Hackflora vorwiegend aus Zwiebelgewächsen besteht.

Die heutigen, modernen Anbaumethoden lassen dieser traditionellen Weinbergflora aber kaum eine Chance. Die Winterbegrünung und die Düngung stärken nachhaltig die ohnehin konkurrenzstärkeren Gräser; der frühzeitige Einsatz von Herbiziden noch vor Ende der Frühjahrsblüte sowie der Einsatz von Fräsen, die die Zwiebeln zerstören, haben zum nahezu vollständigen Verschwinden dieser seltenen Pflanzen geführt, die einst das Bild der Region mitgeprägt haben.

Was kann man tun?

Das Ziel kann natürlich nicht lauten, die modernen Anbaumethoden durch herkömmliche Bearbeitung zu ersetzen.

Vielmehr geht es darum, Nischen zu finden, in denen die Hackflora überleben oder wieder angesiedelt werden kann - ohne großen Mehraufwand für die Winzer.

Wenn der erste Herbizid-Einsatz auf die Zeit nach der Frühjahrsblüte verschoben wird, erhalten die Pflanzen die Chance, sich durch Samen vermehren zu können. Eine Wiederansiedlung im Unterstockbereich, außerhalb des Aktionsradius der Fräsen, ist ebenfalls erfolgversprechend. Ein weiterer, zentraler Baustein ist die Vermeidung übermäßigen Stickstoffeintrages durch Intensiv-Düngung. Auch die Winterbegrünung, die von der Stickstoffanreicherung ebenfalls profitiert, sollte kritisch beleuchtet werden.

Diese Vorschläge sind natürlich kein Allheilmittel und auch nicht in jedem Fall anwendbar. Der Bestand einer Hackflora setzt auf schonender, nachhaltiger Bewirtschaftung auf und bedingt somit auch nachhaltige Betriebe. Dem wirschaftlichen Fortbestand eines Weinbaubetriebes kommt damit ebenfalls eine zentrale Bedeutung zu. Wir hoffen, dass bei Abwägung ökologischer und ökonomischer Interessen es mehr und mehr Fälle gibt, in denen ein ökologisch verträglicher Weinbau angewendet werden kann, ohne die materielle Existenz eines Betriebes zu gefährden.

Ungeachtet dessen gibt es fast immer Ansatzpunkte, an denen ganz ohne materielle Folgen etwas für die Weinbergflora getan werden kann: Spitzzeilen, Randflächen, Kurvenbereiche, freie Flächen am Anfang und Ende der Rebzeilen, Lagerflächen, ....

Hier kommt es alleine auf den guten Willen des Einzelnen an.

Weiterführende Informationen

Die Akademie für Natur- und Umweltschutz beim Umweltministerium Baden-Württemberg (Umweltakademie) hat im Rahmen ihrer "Aktion Lebendiger Weinberg" eine eigenen Internet-Auftritt geschaffen:

http://www.lebendiger-weinberg.de

Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau hat zum Thema "Lebensraum Weinberg" ebenfalls sehr viele interessante Informationen zusammengetragen:

http://www.lwg.bayern.de/weinbau/rebschutz_lebensraum_weinberg/12574/

Die dazugehörige Broschüre "Nützlinge und Schädlinge im Lebensraum Weinberg" können Sie unter http://www.lwg.bayern.de/weinbau/rebschutz_lebensraum_weinberg/12574/ downloaden; oder Sie klicken einfach hier.