Fließgewässer und Flutgräben am und im Bienwald

Der Storchenverein ist Bachpate! Die Patenschaft bezieht sich auf die „Flutgräben“ des Bruchbachsystems südlich von Steinfeld und auf die Gräben südlich von Kapsweyer, wobei in Kapsweyer der Hauptarm des Bruchbachs, der am Bahnhof der Gemeinde vorbeifließt, von der Patenschaft ausgenommen wurde. Die Gemeinde Schweighofen hat angekündigt, dem Verein ebenfalls die Patenschaft über ihre Gräben südlich des Dorfes anzutragen, dies ist aber bisher (Juni. 04) noch nicht geschehen.

Worum geht es bei der Patenschaft? Wir möchten drei Dinge erreichen:

1. Beim bisherigen „Gewässerunterhalt“, der der Zuständigkeit der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern untersteht, wird in regelmäßigen Abständen die Vegetation aus der Gewässerrinne herausgehoben und mit Wurzeln und Sediment in der Böschung deponiert. Die Uferböschung wird ausgemulcht; anschließend verbleibt die tote Biomasse in der Uferschräge. Bei starkem Regen gelangen der Mulch, die ausgebaggerten Wasserpflanzen und der Sand/Schlick zu großen Teilen in den Bach zurück. Nach der Remineralisierung der restlichen Biomasse werden dann auch deren Nährelemente (Phosphor, Stickstoff) in das Gewässer gespült. Dem Bach und seiner Böschung entzieht man bei der Gewässerpflege somit nicht Nährstoffe – was wünschenswert wäre – sondern düngt ihn, und durch die eingetragene Biomasse kommt es zur Faulschlammbildung.

Wir möchten erreichen, daß in der Uferböschung weder Sediment und Wasserpflanzen noch gehäckselte Uferpflanzen deponiert werden. Die Böschung sollte möglichst flach und breit ausgezogen sein, damit der Graben bei starkem Regen viel Wasser aufnehmen kann, und das Wasser nicht in einer durch „Pflege“ verengten Rinne schnell abfließen muß und in den Städten am Rhein zum Hochwasser beiträgt. Die Ablagerung des Mulchs und des Sediments muß daher unbedingt (mindestens) ein paar Meter vom Wasser entfernt erfolgen, nicht aber in der Böschung! Wie man allgemein weiß, wäre Mähen ökologisch sinnvoller als Mulchen. Oft besitzen die ausführenden Firmen aber keine Mähbalken, und die Uferböschungen sind uneben und daher nicht mahdtauglich.

Deponierung von Faulschlick in der Uferböschung

2. Beim Ausmulchen der Gewässer werden bei der bisherigen Pflegepraxis auch kleine Sträucher wie Pfaffenhütchen, Schlehen oder Kätzweiden mitgehexelt. Größere Kätzweiden, die den Wasserabfluß zu behindern drohen, gräbt man aus und fährt das Holz ab.

Das Pfaffenhütchen z.B., ein bachbegleitender Charakterstrauch des Viehstrichs, schlägt später nicht mehr aus, wenn er bodennah gekappt wird. Wir sehen ein, daß Gehölze, die das Bestreben haben, in die Gewässerrinne hinein zu wachsen (Kätzweiden) an solchen Stellen ,wo sie den Wasserabfluß behindern, entfernt werden müssen. Im oberen Bereich der Böschung sollte aber alle 10-20 m ein Strauch stehen, der das Landschaftsbild bereichert (z.B. Pfaffenhütchen mit Herbstfärbung), Insekten als Nahrung dient (z.B. Faulbaum, Heckenrose), in dem der Neuntöter tote Beutetiere aufspießen kann (z.B. Schlehen) oder einem Braun- oder Schwarzkehlchen als Ausguck dient. Wir haben deshalb damit begonnen, besonders kahle Grabenabschnitte mit kleinen Gruppen von Faulbaum und Schlehen zu bepflanzen. Bei „Unterhaltsmaßnahmen“ der Verbandsgemeinde versuchen wir schon bei der Auftragsvergabe und später dann beim Arbeitseinsatz des Maschinenrings Freckenfeld, ein Ausmulchen der bachbegleitenden Kleingehölze zu verhindern.

So sollte es nicht beginnen: Abgemulchter Pfaffenhütchenstrauch

Die Sträucher in der Böschung wurden entfernt

Pfaffenhütchen, blühend

3. Abgestorbenes Schilf entlang der Bäche wird während des Winters oft gemulcht, mit der Begründung, die toten Stengel könnten abknicken und somit den Wasserabfluß behindern. Außerdem hat man den Verdacht, daß das tote Schilf als „unsauber“ empfunden wird. Tatsächlich ist es aber das gehäckselte Schilf, das nach jeder Mulchaktion zum Wasserstau führt, weil es nicht entfernt wird ,sondern in der Gewässerrinne und -böschung zurückbleibt.

Wir möchten deshalb erreichen, daß das Totschilf während des Winters stehen bleiben darf. Im Laufe der darauf folgenden 1-2 Jahre kann es sich selbst kontinuierlich remineralisieren, und es fallen dann keine großen Mengen an toter Biomasse auf einmal an wie bei einer Ausmulchaktion.

Schilf im Winter (Otterbachtal)

Das gelblich-braune Schilf, das nur an einigen Gewässerstrecken vorkommt, setzt in der winterlichen Landschaft reizvolle Akzente und bietet zahlreichen Wildtieren wie Hasen, Rebhühnern, Laufkäfern etc. einen Unterschlupf. Im Sommerhalbjahr bilden die grünen Schilfpflanzen die Grundlage für ein weit verzweigtes, artenreiches Nahrungsnetz, von dem dann auch die bekannten Galionsfiguren des Naturschutzes wie Weißstorch, Wachtelkönig oder Neuntöter profitieren. An den Schilfblättern leben große Populationen saugender Insekten, vor allem Blattläuse und Zikaden. Sie dienen wiederum Florfliegen, Lauslöwen, Schwebfliegen-Larven, einigen Grabwespen, Laufkäfern und Marienkäfern als Nahrungsgrundlage.

Eine besondere Bedeutung kommt der Zigarrenfliege Lipara lucens (Chloropidae = Halmfliegen) zu, wie der Insekten- und Wildbienen-Spezialist Prof. Dr. Konrad Schmidt, der mit dem Storchenverein zusammenarbeitet, betont. Diese Fliegen und nahe verwandte andere Arten legen ihre Eier in die Sproßspitzen der Schilfrohre. Die Pflanze bildet dann eine ca. 1,5 cm dicke, etwa 25 cm lange zigarrenförmige Galle. Die Fliegenlarve überwintert in der Galle am abgestorbenen Halm. Nach ihrem Ausschlüpfen im Frühjahr dienen die verlassenen Gallen des Vorjahres verschiedenen Bienen, Grabwespen und solitären Faltenwespen zur Anlage ihrer Nester. Die Larven dieser Insekten überwintern in der Galle im darauf folgenden Winter. Das setzt voraus, daß abgestorbenes Schilf zwei Jahre lang stehen bleiben darf und nicht schon im ersten Winter gemulcht wird.

Zigarrenfliege (ca. 0,5 cm) Zigarrenförmige Galle am Schilfrohr (links: geöffnet)

Auch die in den Schilfstengeln lebenden Schmetterlingslarven benötigen zwei bis drei Jahre, um ihre Entwicklung zu vollenden, z.B. der Rohrbohrer (Phragmitaecia castaneae, Cossidae). Nach der zweiten Überwinterung schlüpft der Schmetterling im Juni des dritten Jahres durch ein von der Raupe vor ihrer Verpuppung genagtes Loch in der Stengelwand.

Die folgende Artenliste (von Prof. Dr. Konrad Schmidt zusammengestellt) enthält vor allem Arten der Roten Liste Deutschlands, bei den Hautflüglern (Hymenoptera) der Roten Liste von Rheinland-Pfalz. Die Zahlen beziehen sich auf den Gefährdungsgrad.

Lebensraum Schilf:

Typische und bedrohte Insekten

Die hier genannten Arten der Roten Listen sind alle, soweit nicht besonders erwähnt, enge Spezialisten, die nur in Schilfgebieten überleben können. Da zahlreiche Schilfbewohner zwei oder sogar drei Vegetationsperioden für ihre Entwicklung benötigen, ist jede Mahd ein schwerwiegender Eingriff in die Schilflebensgemeinschaft. Erst nach vielen Jahren kann dieser Eingriff durch Zuwanderung von außen wieder ausgeglichen werden, wenn Schilfgebiete, die nicht gemäht werden, in der näheren Umgebung vorhanden sind.