"Die Rheinpfalz" vom 12.01.2002

Berichte über den Verein sowie über Umwelt- und Naturschutz

Frostsichere Mauerritzen zum Überwintern gesucht

Burgruinen können ideale Refugien für Fledermäuse sein - Kaiserslauterer Biologen forschen zu Habitatnutzung und Bioakustik

Von unserer Mitarbeiterin Sigrid Ladwig

Ihr Pech: Sie gehören nicht zu den Tierarten, die beim Menschen besonders populär sind. Doppeltes Pech für sie: Viele Fledermausarten sind zum Überleben auf menschliche Gebäude angewiesen. Wie kaum eine andere Wirbeltiergruppe haben sie Jahrhunderte lang bauliche Nischen besetzt, die der Mensch nicht für sich beanspruchte. Gut gelitten waren Fledermäuse nie, allenfalls geduldet, oft von schauerlichen Märchen umgeben und zu ihrem Glück durch ihre versteckte Lebensweise weitgehend geschützt. Die früheren Strukturen der Häuser und Scheunen ermöglichten ihnen ihr Überleben. Heute werden Keller und Dachböden möglichst dicht verschlossen und die Tiere bleiben ausgesperrt -aus Unwissenheit, Abneigung oder Aberglaube.

Quartierverluste sind eine der zentralen Ursachen für den rapiden Rückgang der nützlichen Insektenfresser, zudem raubt ihnen der Einsatz von Insektiziden in Landwirtschaft, Parks und Gärten die Nahrungsgrundlage. Fledermäuse haben mit Mäusen nichts zu tun sondern gehören einer eigenen Säugetier-Ordnung an, den Fledertieren. Seit über sechzig Jahren sind sie gesetzlich geschützt. Dennoch stehen alle zwanzig in der Pfalz vorkommenden Arten auf der roten Liste, einige sind unmittelbar vom Aussterben bedroht. Gesetzlicher Schutz kann also nicht greifen, wenn gleichzeitig Lebensräume verschwinden. Der rheinland-pfälzische Arbeitskreis Fledermausschutz setzt sich für die Erhaltung von Quartieren ein -in Bergwerkstollen, Bunkern, Höhlen und in öffentlichen und privaten Gebäuden. Hier vernichtet oft übertriebenes Reparaturbedürfnis die Lebensstätten. Wo Mauern reißen und bröckeln, finden Fledermäuse die für sie lebenswichtigen Lücken und Spalten. So könnten Burgruinen ideale Refugien sein, zumal sie frostsichere Mauerritzen zum Überwintern bieten. Jedoch bringt nicht einmal eine Hand voll pfälzischer Burgen diese Voraussetzungen mit. "Aus historischen Ruinen hat man biologische Ruinen gemacht", so das ernüchternde Fazit von Arbeitskreismitglied Hans König nach vielerorts vorgenommenen Restaurierungen. Mauern und Gewölbe wurden lückenlos verfugt und verputzt, sodass sie bergenden Hohlräume und Spalten verloren gingen.

Eine der wenigen Ausnahmen ist die Dürkheimer Hardenburg. Sie gilt von den Pfälzer Burgen als wichtigstes Ganzjahresquartier für Fledermäuse. In ihren Gängen und Kellern bietet sie frostfreie Spalten, die der Arbeitskreis buchstäblich in letzter Minute bewahrte. In der Sommerperiode zählten König und seine Mitarbeiter neun Arten, unter ihnen die Durchzügler, die aus Nord- und Osteuropa kommen und die Hardenburg für die Balz und Paarung aufsuchen. Zu ihnen gehört die vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus. Bei den Winterkontrollen fanden die Fledermausschützer sieben Arten, darunter die Zwergfledermaus, das Große Mausohr und das Langohr. Als ausgestorben galt die Zweifarbfledermaus. 1862 wurde sie auf der Burg noch registriert. 1995 tauchte sie wieder auf - eine der seltensten Arten in Deutschland überhaupt. Um dieses bedeutende Artenspektrum zu retten, nahm König Kontakt mit der Denkmalpflege auf. DieVorgeschichte mahnte zum Handeln. Denn bei den Sanierungsarbeiten der 80er Jahre waren auf der Burg viele Fledermausquartiere verschwunden. Als 1996 die zweite Etappe der Restaurierung begann, wurde mit den Fledermausschützern vereinbart, dass sie die Quartiere kennzeichnen und diese von der Verfugung ausgenommen bleiben sollten. Für den leitenden Spezialisten war die Rekonstruktion von Mauerwerk unter dem Artenschutz-Aspekt eine neue Aufgabe. Seine Voruntersuchungen ergaben, dass Maßnahmen zur Sicherung der Statik der Gewölbe nur an einigen Stellen nötig waren.

Menschenleere Kellergewölbe

Im Kellergewölbe der Hardenburg bleiben menschliche Besucher mit Rücksicht auf die Fledermäuse ganzjährig ausgesperrt. Auch indem sensible Bereiche aus der nächtlichen Bestrahlung herausgenommen werden, sind die Tiere geschützt. Aber der Druck freizeitlicher und kommerzieller Nutzung bleibt groß, wie jüngste Entwicklungen auch am Beispiel der Hardenburg zeigen. Positiv gelöst wurde die gemeinsame Nutzung durch Mensch und Tier auf der Burg. Altleiningen. Seit vielen Jahren lebt hier das Große Mausohr. Den Winterschlafhalten die Tiere in den frostsicheren Kellerräumen. Besonders groß ist das Sommervorkommen: Mit 500 Tieren zählte man hier eine der größten Populationen der Pfalz. Bei umfangreichen Umbauarbeiten für den Jugendherbergsbetrieb erreichte der Arbeitskreis Fledermausschutz, dass eine Kellerhälfte den Fledermäusen weiterhin zur Verfügung steht. An der Universität Kaiserslautern beschäftigen sich seit vier Jahren die Biologen Claudia Weber und Guido Pfalzer mit Habitatnutzung und Bioakustik der Fledermäuse. Studien zeigen, dass Fledermäuse beim Jagen vielfältigen Strukturen wie Hecken und Alleen folgen. Die Ultraschall-Rufe, mit deren Echo sie sich orientieren, unterscheiden sich je nach Art. So gehört die Bechsteinfledermaus zu den Flüsterern. Lautes Rufen hat dieser Bewohner ausgehöhlter Bäume auch

nicht nötig. Da er seine Nahrung von Blättern und Rinde absammelt, genügt ihm das Orten auf kurze Entfernungen. Möglicherweise arbeitet er dabei auch mit den Augen -mit denen Fledermäuse übrigens keine Farben sehen und nicht focussieren können. Der Große Abendsegler jagt dagegen im offenen Luftraum und ortet seine Beute-bis zu siebzig Meter weit. Sein Rufen können Menschen mit gutem Gehör gerade noch wahrnehmen. Im Allgemeinen rufen Fledermäuse nicht nur zu hochfrequent für unsere Ohren sondern auch zu schnell, Was teilweise auch für die Soziallaute gilt. Weber und Pfalzer arbeiten deshalb mit Detektoren, die die Laute digital speichern und zehnfach gedehnt wiedergeben. Erst diese akustische Zeitlupe erlaubt den Experten die Unterscheidung von Arten. Funde beringter Tiere haben gezeigt, dass wandernde Arten zwischen ihrem Sommer- und Winterquartier Tausende von Kilometern zurücklegen können. Manche überwintern bei uns -etwa die Rauhhautfledermaus, die dabei sogar in Holzstapern gefunden wurde. Dagegen überwintert der Kleine Abendsegler im Süden und zieht bei uns seine Jungen auf. In der zweiten Junihälfte kommen die Fledermaus-Jungen zur Welt. Die Weibchen der nicht ziehenden Arten bekommen pro Jahr nur ein Junges, dagegen haben Wanderfledermäuse in der Regel zwei Junge. Die Muttertiere sammeln sich mit ihren Kleinen in größeren Gruppen, den Wochenstuben. Nach sechs Wochenist der Nachwuchs flugfähig. Macht er sich auf die Suche nach neuen Quartieren, bleiben einzelne Flatter-Männer zurück.

Insgesamt kennt Hans König in der Pfalz nur noch elfWochenstuben. Vor fünfzig Jahren dagegen gab es sie nahezu in jedem Dorf und Kirchendach. Wochenstuben von Mausohren oder Langohren sind die größten Ansammlungen von Fledermäusen und können bis zu mehrere tausend Tieren zählen. Die größte pfälzische Wochenstube fand König imn Dachboden eines Privathauses in Rockenhausen mit 800 Tieren. Erhofft, dass sie im Frühjahr wieder herfinden, nachdem sie im Vorjahr ausgeblieben waren. Ein Dachboden, der Fledermäuse beherbergt, muss trocken und ungestört sein, frei von Zugluft und Holzschutzmitteln, und er muss ein Einflugloch bieten. Stehen Baumaßnahmen an, eignet sich die Zeit zwischen September und März. Diese Ratschläge berücksichtigen inzwischen auch die Landeskirchen. An Hauswänden bieten Ritzen in Fassaden und Mauern sowie Einschlupflöcher hinter Holzverkleidungen Unterschlupf. Fledermauskästen und -bretter können wichtigen Ersatz schaffen. Der Arbeitskreis berät bei Hilfsmaßnahmen.

Im Internet

- www.fledermausschutz-rlp.de

(Ansprechpartner in der Region unter dem Button "Organisation".