Anekdoten und kleine wahre Geschichten über den "Naturschutz"

Der krumme Weg

Weil ein Stein im Wege lag, mußte der Feldweg im Bogen um ihn herumgeführt werden. Die Biegung ist heute noch zu sehen, aber der Stein ist weg. Er wurde vor ü ber hundert Jahren unter großen Mühen weggeschafft und beim Bau einer Scheune verwendet. An seiner Stelle steht heute eine knorrige Stieleiche, die mein Großonkel gepflanzt haben soll, um der Wegkrümmung wieder einen Sinn zu geben. Es wurde allerdings auch behauptet, er habe den Baum gepflanzt, um sich die mühsame Wegbegradigung ersparen zu können. Wie auch immer im Jahre 1962 wäre es dieser Wegbiegung fast an den Kragen gegangen. Damals wurden die Feldwege der Gemarkung Drakenhausen mit Lineal und Bleistift in einen glatten Strich verwandelt. Nur die natürliche Krümmung der Erdoberfläche hat seinerzeit das Schlimmste, den himmelaufwärts führenden Feldweg, verhindert.

Der krumme Weg hatte die Flurbereinigung zunächst ganz gut überstanden, da die Eiche versehentlich als Naturdenkmal eingestuft worden war. Als der Irrtum bemerkt wurde, schob mein Onkel die Behauptung nach, nicht der Baum als solcher, sondern die Biegung des Weges an sich wäre das eigentlich zu schützende Landschaftselement. Die Sache stand nicht gut für ihn, aber dann kam ihm unverhofft ein Herzinfarkt zu Hilfe, der dem zuständigen Flurbegradiger das Lineal aus der Hand nahm. Sein Nachfolger hatte sich zunächst mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen; die Gründlichkeit seiner Vorgehensweise brachte dann aber doch zu Tage, daß die Behörde von einem Bauern getäuscht worden war.

Da keine Dienstvorschrift dagegen sprach, machte sich der Beamte eines Tages auf den Weg, um die amtliche Tilgung dieser unglaublichen Aus­buchtung in die Wege zu leiten. Bei sonnigem Wetter erreichte er nach einer guten Stunde das Dorf Drakenhausen und fand seine schlimmsten Vermutungen bestätigt: Mitten im Weg stand tatsächlich ein Baum - weiter nichts. Genau so gut hätte man eine Ziege auf den Weg stellen können oder einer Misthaufen, fand der Beamte. Hier war ganz offensichtlich bestes Ackerland einer Laune geopfert worden; möglicherweise sogar im Suff. Besonders schwerwie­gend fand der Flurbereiniger daß die den Weg begleitende Hecke an dieser Stelle sage und schreibe 10 bis 12 Meter breit geworden war, was ebenfalls niemanden zu stören schien. Einige Wochen später wurde mein Onkel amtlich davon in Kenntnis gesetzt, daß im Rahmen einer notwendigen Wegbegradigung sechzig Meter Hecke und ein Baum zu beseitigen seien. In diesem neu entfachten Papierkrieg wurde mein Onkel tatkräftig und sachkundig von seinem langjährigen Feriengast Otto D. unterstützt, vor allem in Form von Leserbriefen, die in der Dorfkneipe schallendes Gelächter auslösten.

Die Hecke wurde jedenfalls nicht gerodet und die alles überragende Eiche steht noch heute da, größer und schöner als je zuvor.

Die Zahl der Übernachtungen ist sprunghaft gestiegen... Ferien auf dem Bauernhof im "Heckendorf" Drakenhausen sind zu einem Geheimtip für Lebenskünstler, Naturfreunde, Tierfotografen und Forscher geworden.

Auch in den umliegenden Dörfern sprach sich das herum. Als Otto D. von auswärtigen Landwirten eingeladen wurde, um über seine Erfahrungen zu sprechen und das Drakenhauer Modell in einem Lichtbildervortrag zu erläutern, mochten auch die Drakenhauser Bauern nicht länger untätig bleiben. Sie machten ihm das phantastische Angebot, die Vernetzung von Lebensräumen mit Feldhecken auch auf ihre Gemarkungsteile auszudehnen. Das war der Durchbruch, auf den er viele Jahre hatte warten müssen.

Aus: Hermann Benjes: Die Vernetzung von Lebensräumen mit Feldhecken. S. 9 ff.; Natur und Umweltverlag; München 1986; ISBN: 3-924749-14-0

Der verkrautete Bach

Nicht alle Geschichten finden ihr Happy End. So schildert "Der krumme Weg" wohl eher den untypischen Verlauf einer Geschichte, die unter Namen wie "Reinigung" oder "Pflege" auch im Viehstrich noch kein Ende nehmen will.

Der in Abbildung 1 gezeigte "Flutgraben 4" südöstlich von Steinfeld zwischen dem Parkplatz des "Kakteenlandes" und dem "Schaidter Panzergraben" war noch im Sommer 2001 der schönste Bruchbacharm der Gemeinde Steinfeld. Im verkrauteten Bett gab es eine kleine Population von Wasserrallen (Rallus aquaticus, Rote Liste), und Ringelnattern (Natrix natrix, Rote-Liste) konnte man hier in Dichten beobachten, wie dies nirgends sonst im Steinfelder Wiesental der Fall war.

Anfang Oktober 2001 wurde dann aber das flach abfallende Nordufer (in Abb.1 Links zu sehen) gemulcht und einzeln stehende Büsche von Pfaffenhütchen wurden entfernt (Abb. 2).

Abb. 1:

Flutgraben 4, Abschn. 4

a) nach Mahd des Nordufers am 02.10.2001

b) Verlandung im Bereich Hochsitz oberhalb Brücke

(letzte Gewässerunterhaltungsmaßnahme an diesem Graben 1990)

Abb. 2: Pfaffenhütchen

Danach erfolgte auch eine Ausräumung des Bachbetts, wobei man das ausgehobene, sandig-kiesige Sediment auf dem flachen Nordufer des Grabens deponierte.Dieser Auswurf enthielt zahlreiche Muscheln (Malermuschel Unio pictorum, Teichmuschel Anodonta sp. - beides Rote Liste-Arten), die dabei zu Tode kamen.

Der Eingriff verwunderte, da das Gewässer von einer Wiesenlandschaft umgeben ist, an die sich 100 m südlich direkt der Bienwald anschließt (Abb. 1). Landwirtschaftliche Sonderkulturen wie Spargel- oder Tabakanbau gibt es in diesem Lebensraum nicht.

Am parallel verlaufenden kleinen Graben E 35 unterblieb zwar das Mulchen und Ausheben, dafür wurden Kätzweidenbüsche derart stark zurückgeschnitten, daß nur noch wenige, kaum verzweigte Äste übrig blieben, in denen in den nächsten Jahren keine Vögel mehr brüten können (Abb. 3).

Manche Büsche sägte man direkt über dem Boden ab (Abb. 4a und 4b).

Abb. 3

Abb. 4b

Abb. 4a

Die umgebenden extensiv genutzten Wiesen mit relativ artenreicher Wiesenkräuterflora wurden durch die vereinzelten, bachbegleitenden Büsche sicherlich nicht in ihrer landwirtschaftlichen Nutzbarkeit beeinträchtigt, zumal die Wiesen ohnehin nicht umgepflügt werden dürfen. Wenn man das Gelände von der Bahnlinie her kommend betritt, kommt man an einem Schild vorbei, auf dem die Wiesen als Naturschutzgebiet gekennzeichnet werden.

Wie sich inzwischen herausstellte, wurde die "Gewässerunterhaltungsmaßnahme" offenbar im "Landwirtschafts- und Umweltausschuß" der Gemeinde Steinfeld besprochen, passierte dann den Gemeinderat und wurde schließlich von der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern ausgeführt; eine Maßnahme, die den Steuerzahler knapp 6.000,-- DM kostete.

Der Steuerzahler wird wohl erneut zur Kasse gebeten werden, wenn das jetzt schneller abfließende Wasser in den Kommunen am Rhein seinen Teil zum winterlichen Hochwasser beitragen wird...

PS.:

Der Gemeinderat von Steinfeld hat dem Storchenverein inzwischen die "Bachpatenschaft" für ca 3/4 aller Bachläufe (Flutgräben) des Bruchbaches verliehen. Damit müßten sich in Zukunft unsachgemäße, grobe Eingriffe verhindern lassen.